RATGEBER

Gefahrenbremsung: Definition und Formel für den Anhalteweg

Bei einer Gefahrenbremsung wird das Bremspedal bis zum Anschlag durchgetreten.
Bei einer Gefahrenbremsung wird das Bremspedal bis zum Anschlag durchgetreten.

Wenn ein plötzliches Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht, kann schnell ein Unfall passieren. Dann hilft bei einem geringen Abstand oft nur noch, die Bremsen Ihres Fahrzeugs bis zum Anschlag durchzutreten (bzw. anzuziehen) und so schnell wie möglich zum Stehen zu kommen. Dieses Manöver ist als Gefahrenbremsung bekannt und zählt zu den wichtigsten Dingen, die Sie als Fahrzeugführer beherrschen müssen. Wie genau die Gefahrenbremsung funktioniert und wie sie sich auf Ihren Brems- und Anhalteweg auswirkt, erklärt der folgende Ratgeber.

FAQ: Gefahrenbremsung

Was ist eine Gefahrenbremsung?

Bei einer Gefahrenbremsung (auch bekannt als Notbremsung oder Vollbremsung) wird das Bremspedal unverzüglich mit aller Kraft durchgetreten, um alle Räder so stark wie möglich zu verzögern. Ziel ist es, einen möglichst kurzen Bremsweg zu erreichen und auf diese Weise einen Unfall zu vermeiden.

Wie lässt sich der Bremsweg oder Anhalteweg bei einer Gefahrenbremsung berechnen?

Der Anhalteweg ergibt sich aus dem Bremsweg plus dem Reaktionsweg. Beide lassen sich zumindest grob mittels einer einfachen Faustformel für die Gefahrenbremsung berechnen. Die Formel samt Beispielrechnung finden Sie an dieser Stelle in unserem Ratgeber.

Wird die Gefahrenbremsung in der Fahrschule geübt? Kommt sie in der Fahrprüfung dran?

Ja, die Gefahrenbremsung mit dem Motorrad oder dem Auto ist fester Bestandteil der Fahrschulausbildung. In der praktischen Prüfung für die Fahrerlaubnisklasse B (Pkw-Führerschein) kann die Gefahrenbremsung als Aufgabe verlangt werden, muss es aber nicht. Bei der praktischen Prüfung für die Klassen AM, A1, A2 und A (Motorradführerscheine) ist die Gefahrenbremsung obligatorisch.

Formel für Gefahrenbremsung: Anhalteweg und Bremsweg berechnen

Die Bremsweg-Berechnung bei einer Gefahrenbremsung erfolgt mittels einer Faustformel.
Die Bremsweg-Berechnung bei einer Gefahrenbremsung erfolgt mittels einer Faustformel.

Wie lange dauert es, bis Sie bei einer Gefahrenbremsung tatsächlich zum Stehen kommen? Die Antwort auf diese Frage entscheidet üblicherweise darüber, ob Sie mit dem Hindernis auf der Fahrbahn kollidieren oder doch noch in letzter Sekunde einen Unfall vermeiden können. Hier sei gleich vorweg gesagt, dass für eine exakte Berechnung des Anhalte- und Bremsweges sehr viele Variablen eine Rolle spielen: das Gewicht des Fahrzeugs, die Beschaffenheit der Straße, der Neigungswinkel der Fahrbahn, der Luftwiderstand des Fahrzeugs, der Zustand der Reifen, die Beschaffenheit der Bremsbeläge, der körperliche Zustand des Fahrers etc.

Im Alltag ist es natürlich viel zu kompliziert, all diese Variablen zu berücksichtigen. Darum wird in der Regel auf eine vereinfachte Faustformel zurückgegriffen, bei der lediglich die Geschwindigkeit des Fahrzeugs berücksichtigt wird. Mit dieser lässt sich zumindest grob berechnen, wie lang der Anhalte- und der Bremsweg bei einer Gefahrenbremsung mit dem Auto sind.

Der Anhalteweg ist der Weg, den Sie ab Bemerken des Hindernisses bis zum Stillstand Ihres Fahrzeugs zurücklegen. Er ergibt sich aus einer einfachen Addition:

Anhalteweg = Reaktionsweg + Bremsweg

Der Reaktionsweg wiederum beschreibt, wie lange Sie benötigen, um die Gefahrenbremsung einzuleiten, nachdem Sie das Hindernis registriert haben. Als Faustformel gilt hier:

Reaktionsweg = (Geschwindigkeit : 10) x 3 [in Metern]

Nun müssen Sie noch den eigentlichen Bremsweg bei der Gefahrenbremsung berechnen. Die Faustformel dafür lautet:

Bremsweg = (Geschwindigkeit : 10)² : 2 [in Metern]

Beispielrechnung zur Gefahrenbremsung

An dieser Stelle wollen wir die Faustformel anhand eines Beispiels erläutern. Wir gehen hierfür davon aus, dass Sie als Autofahrer mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h zurück sind. Für den Reaktionsweg ergibt sich damit folgende Rechnung:

Reaktionsweg = (100 km/h : 10) x 3 [in Metern]

Reaktionsweg = 30 m

Nach dem Bemerken des Hindernisses legen Sie also bereits 30 Meter zurück, ehe Sie die Gefahrenbremsung einleiten. Der nun zurückgelegte Bremsweg ergibt sich folgendermaßen:

Bremsweg = (100 km/h : 10)² : 2 [in Metern]

Bremsweg = 50 m

Aus der Addition von Reaktionsweg und Bremsweg ergibt sich schließlich Ihr Anhalteweg:

Anhalteweg = 30 m + 50 m

Anhalteweg = 80 m

Insgesamt benötigen Sie bei einer Gefahrenbremsung mit dem Auto also 80 Meter, um bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h zum Stehen zu kommen.

Auffahrunfall nach Gefahrenbremsung: Wer hat Schuld?

Eine Gefahrenbremsung kann leicht zu einem Auffahrunfall führen.
Eine Gefahrenbremsung kann leicht zu einem Auffahrunfall führen.

Eine Gefahrenbremsung soll dafür sorgen, dass das bremsende Fahrzeug nicht mit einem Hindernis vor sich kollidiert. Mitunter wird es dabei jedoch selbst zur Gefahrenquelle, wenn nämlich der Hintermann nicht mit dem abrupten Manöver rechnet und auf das bremsende Fahrzeug auffährt.

Immer noch herrscht in vielen Köpfen der Mythos vor, dass der Auffahrende in einer solchen Situation automatisch die alleinige Schuld trägt. Denn schließlich hätte er den Unfall mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand verhindern können. Das stimmt aber nur bedingt. Tatsächlich muss die Schuldfrage immer im Einzelfall geprüft werden. Dass auch der bremsende Fahrzeugführer zumindest teilweise für den Unfall verantwortlich gemacht werden kann, zeigen unter anderem folgende Urteile:

  • Kammergericht Berlin vom 03.03.1975 – 12 U 1965/74: Der Vorausfahrende bremste ohne verkehrsgemäßen Grund ab, wodurch sein Hintermann auf ihn auffuhr. Dem Vorausfahrenden wurde ein Drittel der Schuld an dem Unfall zugesprochen.
  • Kammergericht Berlin vom 13.02.2006 – 12 U 70/05: Ein Autofahrer war entgegen seiner Gewohnheit mit einem Automatik-Fahrzeug unterwegs. Vor einer Ampel wollte er geistesabwesend die Kupplung bedienen und trat stattdessen kräftig auf die Bremse. Die unbeabsichtigte Gefahrenbremsung führte zu einem Auffahrunfall mit dem Hintermann. Der Vorausfahrende musste zur Hälfte für den Schaden haften.
  • Oberlandesgericht Karlsruhe vom 26.03.1982 – 10 U 245/81: Ein vorausfahrendes Fahrzeug führte eine Gefahrenbremsung durch, bei der die Bremslichter nicht aufleuchteten. Der Hintermann fuhr auf das Fahrzeug auf. Das Nichtaufleuchten der Bremslichter begründete einen Schuldanteil des Vorausfahrenden von zwei Dritteln. Der Auffahrende musste nur zu einem Drittel für den Unfall haften.

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