Rechts vor links: So wenden Sie die Vorfahrtsregel richtig an!

Bußgeldtabelle: Missachtung der Rechts-vor-links-Regel
Verstoß | Bußgeld in Euro | Punkte in Flensburg |
---|---|---|
Sie missachteten die Vorfahrtsregel „rechts vor links” … | ||
… und behinderten einen Vorfahrtberechtigten wesentlich | 25 | |
… und gefährdeten einen Vorfahrtberechtigten | 100 | 1 |
… und verursachten einen Unfall | 120 | 1 |
Wenn Fahrzeuge in verschiedene Richtungen unterwegs sind, ist es unvermeidlich, dass sich ihre Wege früher oder später kreuzen. Damit sie sich nicht gegenseitig in die Quere kommen, gibt es genaue Regeln, welches Fahrzeug je nach Situation Vorfahrt hat. Die vielleicht wichtigste von allen ist die sogenannte Rechts-vor-links-Regel. Aber wann genau findet sie Anwendung?
FAQ: Rechts vor links
„Rechts vor links” findet vor allem dort Anwendung, wo die Vorfahrt nicht durch Schilder, Ampeln oder Verkehrspolizisten geregelt wird. Es gibt aber Ausnahmesituationen, in denen kein „rechts vor links” gilt. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Ja, sofern die Vorfahrt hier nicht durch Schilder geregelt wird, gilt auch im verkehrsberuhigten Bereich die Regel „rechts vor links”. Wird ein verkehrsberuhigter Bereich jedoch verlassen, sind Sie grundsätzlich wartepflichtig gegenüber dem Verkehr auf der querenden Straße – selbst wenn Sie von rechts kommen.
Wie die die Rechts-vor-links-Regel in konkreten Verkehrssituationen anzuwenden ist, verdeutlichen wir hier mit konkreten Beispielen.
Video: Vorfahrt „rechts vor links”
StVO: Was bedeutet „rechts vor links”?
Treffen sich zwei Fahrzeuge aus unterschiedlichen Richtungen an einer Kreuzung, hat grundsätzlich jenes Vorfahrt, das von rechts kommt. So legt es § 8 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) fest. Diese Vorschrift, die umgangssprachlich als „rechts vor links” bekannt ist, findet jedoch nur Anwendung, wenn die Vorfahrt nicht bereits durch eine andere Verkehrsregel geklärt ist. So gilt z. B. in folgenden Situationen üblicherweise kein „rechts vor links”:

- Die Vorfahrt an der Kreuzung wird bereits durch ein Schild, eine Ampel oder einen Verkehrspolizisten geregelt .
- Das von rechts kommende Fahrzeug will von einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße fahren.
- Das von rechts kommende Fahrzeug will aus einem Grundstück, einer Fußgängerzone oder einem verkehrsberuhigten Bereich einahren.
Beim letzten Punkt ist zu beachten, dass die Rechts-vor-links-Regel nur beim Verlassen der Fußgängerzone bzw. des verkehrsberuhigten Bereichs („Spielstraße”) ausgesetzt ist. Innerhalb dieser Bereiche hingegen gilt sie – es sei denn natürlich, die Vorfahrt wird durch ein Schild geregelt.
Übrigens: Es gibt auch ein Schild, das auf „rechts vor links” hinweist. Das ist das Verkehrszeichen 102. Es hat die Form eines Dreiecks mit rotem Rand und zeigt ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund. Das Schild dient wohlgemerkt nicht dazu, die Rechts-vor-links-Regel aufzustellen (denn diese besteht wie gesagt grundsätzlich, wenn die Vorfahrt nicht anderweitig geregelt ist). Stattdessen soll es die Autofahrer auf die nahende Kreuzung mit Rechts-vor-links-Regelung aufmerksam machen, sodass diese sich bereits im Vorfeld darauf einstellen können.
Beispiele: So geht „rechts vor links”!
Unser erstes Beispiel zeigt die Anwendung der Rechts-vor-links-Regel in ihrer einfachsten Form: Zwei Autos kommen aus unterschiedlichen Richtungen und begegnen sich an der Kreuzung. Sofern das gelbe Auto nicht rechts abbiegt, ist es nicht möglich, dass beide Autos gleichzeitig fahren können, ohne sich in die Quere zu kommen. Da das rote Auto sich am weitesten rechts befindet, hat es Vorfahrt vor dem gelben.

Kommt ein drittes Auto hinzu, wie in Beispiel 2 gezeigt, funktioniert die Vorfahrtsregelung auf die gleiche Weise: Das rote Auto fährt zuerst, dann das gelbe und zum Schluss das blaue.

Kompliziert wird es, wenn aus jeder Richtung ein Auto kommt, wie unser drittes Beispiel zeigt: Hier gibt es kein Auto, das ganz rechts oder ganz links ist. Alle sind gleichberechtigt und es entsteht eine Pattsituation. In diesem Fall müssen sich die Autofahrer untereinander mit Handzeichen verständigen, wer als erstes losfahren darf. Ist dann das erste Auto weg, gibt es wieder eine Rechts-vor-links-Hierarchie und die altbekannte Regel kommt zur Anwendung.

Unser viertes Beispiel zeigt eine weitere Pattsituation: Das rote Auto hätte gemäß der Regel „rechts vor links” Vorfahrt. Als Linksabbieger gilt für den Fahrer aber gleichzeitig eine andere Vorschrift: Er muss den entgegenkommenden Verkehr, also das blaue Auto, zuerst fahren lassen, ehe er abbiegen darf. Das führt dazu, dass eigentlich niemand als erstes fahren dürfte. Das blaue und das gelbe Auto müssen aufgrund von „rechts vor links” warten und das rote Auto muss als Linksabbieger erst den Gegenverkehr durchlassen. Auch hier gilt, dass sich die Fahrer untereinander einigen müssen, wer als Erstes fahren darf.

Die Rechts-vor-links-Regel bei abknickender Vorfahrt
Selbst wenn die Vorfahrt an einer Kreuzung durch Schilder geregelt wird, kann die Rechts-vor-links-Vorschrift relevant sein. Nämlich dann, wenn es sich um eine abknickende Vorfahrt handelt wie in diesem Beispiel:

Sowohl das grüne als auch das rote Auto befinden sich auf der Vorfahrtsstraße und sind in dieser Hinsicht gleichberechtigt. Sollten sie sich jedoch beim Überqueren der Kreuzung in die Quere kommen, braucht es hier eine weitere Vorfahrtsregelung und das ist wieder „rechts vor links”. Das grüne Auto darf als erstes fahren und danach folgt das rote. Das blaue Auto muss bis zum Schluss warten, da es sich auf der Nebenstraße befindet.
Mehr zur abknickenden Vorfahrt erfahren Sie hier im Video:
Rechts vor links: Streitfall abgesenkter Bordstein
Nicht ganz eindeutig ist die Vorfahrt, wenn ein abgesenkter Bordstein existiert: Gilt „rechts vor links” dann auch hier, wenn Sie diesen überfahren und auf die Straße abbiegen wollen? Die StVO hat hierzu keine klare Vorschrift aufgestellt, aber ein Blick in die Rechtsprechung hilft hier weiter. Denn auch Gerichte haben sich schon mit der Frage beschäftigen müssen, wer beim Überfahren einer Bordsteinabsenkung Vorfahrt hat.
Die meisten dieser Urteile fielen so aus, dass am abgesenkten Bordstein kein „rechts vor links” gilt und dass das Auto, das über die Bordsteinabsenkung auf die Straße fahren will, grundsätzlich wartepflichtig ist. Doch nicht jedes Gericht entschied so. So war z. B. das OLG Köln der Ansicht, dass keine Wartepflicht bestünde, wenn der abgesenkte Bordstein länger als eine Pkw-Länge wäre. In diesem Fall würde an der Bordsteinabsenkung sehr wohl „rechts vor links” gelten (AZ 10 S 35/07).
Es gibt also gegenteilige Auffassungen, wie die Vorfahrt am abgesenkten Bordstein geregelt ist. Da sich hier jedoch die meisten Gerichte gegen die Rechts-vor-links-Regel ausgesprochen haben, sollten Autofahrer sich besser daran halten und einfach dem Querverkehr die Vorfahrt überlassen. So sind sie in jedem Fall auf der sicheren Seite.
Gilt auf dem Parkplatz „rechts vor links”?

Viele Autofahren sind überzeugt, dass die Regel „rechts vor links” auf einem Parkplatz ebenso Anwendung findet wie auf der Straße. Doch tatsächlich handelt es sich hier um einen weit verbreiteten Irrtum. Denn gemäß § 8 Abs. 1 StVO gilt die Rechts-vor-links-Regel ausdrücklich nur an Kreuzungen und Einmündungen.
Ein Parkplatz fällt üblicherweise nicht in diese Kategorie, aber es kann Ausnahmen geben: Sind auf dem Parkplatz verschiedene Fahrspuren markiert und diese somit deutlich als Straßen zu erkennen, gilt die an den „Kreuzungen” die Rechts-vor-links-Regel wieder. Ist das nicht Fall, müssen sich die Autofahrer auf dem Parkplatz an das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme halten.
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